Wasserstoff gilt als einer der Hoffnungsträger bei der Energiewende. Er wird inzwischen mit viel politischen Vorschusslorbeeren bedacht. Als Sekundärenergieträger liegt er allerdings auf der Erde nicht vor, sondern muss erst über ein technisches Verfahren erzeugt werden. Mit Blick auf Fragen des Klimaschutzes erscheint die Elektrolyse von Wasser mithilfe von Strom aus CO2-freien Energien hierzu gut geeignet, obwohl gegenwärtig andere Verfahren – insbesondere die Wasserstoffgewinnung aus Erdgas – aus Kostengründen weit überwiegen.
Experten-Vortrag über den aktuellen Stand der Technik zur Wasser-Elektrolyse
Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) arbeitet seit Längerem an der Weiterentwicklung der Technik zur Wasser-Elektrolyse, die bisher meist mit – manufakturtechnisch gefertigten - Einzelanlagen betrieben wird. Soll die Wasserstoff-Elektrolyse künftig größere Bedeutung gewinnen, ist ein Übergang zu effizienteren großtechnischen Anlagen unumgänglich. Wie weit man dabei vorangekommen ist, zeigte der Vortrag von Dipl.-Ing. Andreas Brinner, unterstützt von Dr. Ben Haugk und Dr. Marc-Simon Löffler, am 28. April 2021 beim Kolloquium der Fakultät Angewandte Wissenschaften, Energie- und Gebäudetechnik der Hochschule Esslingen auf.
Wasserstoff als Energieträger der Zukunft
Zunächst gab der Vortragende eine Übersicht über Möglichkeiten zur Bereitstellung flüssiger und gasförmiger Energieträger mithilfe von grünstrombetriebenen Elektrolyse-Verfahren innerhalb eines künftigen vernetzten Energiesystems.
Darauf verwies er auf die politisch ambitionierten Klimaziele der Europäischen Union sowie Deutschlands, wozu eine Wasserstoffwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten könne. In der Nationalen Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung vom Juni 2020 seien die Erhöhung des Mindestanteils erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch des Verkehrssektors in 2030 und der Aufbau von Wasserstoff-Erzeugungsanlagen von bis zu 5 Gigawatt Gesamtleistung einschließlich einer regenerativen Stromerzeugung bis 2030 im Umfang von 20 Milliarden Kilowattstunden festgeschrieben. Auch werde die Befreiung des Stroms für grünen Elektrolyse-Wasserstoff von der EEG-Umlage angestrebt. Weiter sei eine ergänzende Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen u. a. im öffentlichen Personennahverkehr und in Teilen des Straßenschwerlastverkehrs vorgesehen. Auch in bestimmten Bereichen bei Personenkraftwagen könne der Einsatz von Wasserstoff eine Alternative sein. Zusätzlich sehe das Zukunftspaket des Koalitionsausschusses vom Juni 2020 die Bereitstellung von weiteren 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf von Wasserstoff-Technologien in Deutschland und weiteren 2 Milliarden Euro für internationale Partnerschaften vor; ferner würden eine Beimischungsquote für synthetische Kraftstoffe zu Flugbenzin sowie Vorgaben für den Einsatz von „grünem“ Stahl geprüft.
Musterprojekt zur Erzeugung von Wasserstoff in Grenzach-Wyhlen
Vorhaben zur Erzeugung von Wasserstoff seien auch in Marokko und in Saudi-Arabien in Gang gekommen. In Deutschland gebe es inzwischen 11 öffentlich geförderte Projekte, die „Reallabore“, bei denen bis 2025 eine installierte Elektrolyse-Kapazität von insgesamt bis zu 500 Megawatt zu erwarten sei. Baden-Württemberg steuere hierzu u. a. - in Zusammenarbeit mit der EnBW-Tochtergesellschaft Energiedienst - ein Musterprojekt in Grenzach-Wyhlen am Hochrhein bei. Dabei seien die Arbeitspakete des ZSW das technische Monitoring des Anlagenkomplexes, Geschäftsmodell -Analysen, serientaugliche, skalierbare Materialien und Fertigungstechniken für Elektrolyseure, galvanische Beschichtungsverfahren, der Einsatz von spritzgussfähigen Kunststoffen und von 3D-Druckverfahren, der Test von Elektrolyseblock-Prototypen bis 500 kWel in Realumgebung und die Konzeption und Auslegung einer „Elektrolyse-Fabrik“.
Im Rahmen des Leuchtturmprojekts „Power-to-Gas Baden-Württemberg“ gehe es um eine „Technologie-Roadmap Elektrolyse“ – also um die Konzeption einer weiterentwickelten, energieeffizienteren und kostenreduzierten Elektrolysetechnik. Bei einzelnen Vorhaben sehe man z.B. Potentiale bei der Energieversorgung moderner Stadtquartiere: Ein Beispiel sei das Modellvorhaben „Energiezentrale der neuen Weststadt Esslingen“, bei der etwa ab Juli 2021 eine alkalische Elektrolyseanlage Wasserstoff zur Energiespeicherung und als Fahrzeug-Kraftstoff im Quartier erzeugen werde; weiter werde die anfallende Abwärme zur Wärmeversorgung von Gebäuden dienen.
Verschiedene Elektrolyse-Techniken im Überblick
Hiernach gab der Referent einen Überblick über den gegenwärtigen Stand bei Anbietern von Elektrolyse-Techniken und ihren Leistungsklassen. Weiter benannte Dipl.-Ing. Brinner als aussichtsreiche Verfahren u. a. die konventionelle sowie die verbesserte alkalische Wasserelektrolyse, die Membran-Elektrolyse sowie die Hochtemperatur-Dampfelektrolyse. Als Funktionsprinzipien von Elektrolyseblöcken beschrieb er eine unipolare sowie eine bipolare Lösung. Bei allen Elektrolyseanlagen sei als Kernkomponente der Elektrolyse-Block zu nennen, der bei einer alkalischen Druckelektrolyseanlage aus Elektroden, Bipolarplatten, Membranen, Dichtungen, Zellrahmen, Dichtung und Endplatten aufgebaut sei.
Weiter beschrieb der Vortragende den prinzipiellen Systemaufbau einer Wasserstoff-Erzeugungsanlage und stellte ein vereinfachtes Fließbild einer kommerziellen 30 bar-Elektrolyseanlage vor. Er formulierte die Erwartung, dass die technologische Weiterentwicklung von Elektrolyseblock und Nebenaggregaten in etwa eine Halbierung der Wasserstoff-Produktionskosten ermöglichen werde. Als Hebel zur Kostensenkung gälten der Elektrolyseblock, die Automatisierung zur Senkung von Personalkosten, die Leistungselektronik, die Gasreinigung sowie weitere Komponenten.
Von einer Wettbewerbsfähigkeit von strombasiertem Wasserstoff sei man aktuell noch erheblich entfernt: Die Wasserstoff-Gestehungskosten lägen z. B. beim heutigen Stand der Technik der Leistungsklasse zwischen 1 und 5 Megawatt elektrisch, bei Kosten von Strom aus landgestützten Windkraftanlagen von 4 Ct/kWh und 2000 Volllaststunden je Jahr bei etwa 6 bis 11 Euro je Kilogramm Wasserstoff. Dies entspreche rund 15 bis 28 Ct/kWh.
Bei der Nutzung von optimierten Großanlagen sei eine Kostenverringerung auf etwa die Hälfte zu erwarten. Gelinge es, die Anlagen stärker auszulasten – etwa durch einen Strombezug aus Laufwasserkraftwerken mit rund 6000 jährlichen Vollast-Benutzungsstunden – sei mit einer weiteren deutlichen spezifischen Kostenverminderung zu rechnen.
Gute Berufsaussichten für junge Ingenieure im Bereich Elektrolystetechnik
Abschließend beschrieb der Referent ein Szenario des Markthochlaufs der Elektrolysetechnik. In diesem Zusammenhang sah er gute Berufsaussichten für junge Ingenieure insbesondere der Energie- und Versorgungstechnik angesichts der hohen Erwartungen der Politik in eine künftige Wasserstoffwirtschaft.