Fahrzeugkonzeption für den bedarfsgerechten ÖPNV

Die Idee des bedarfsgerechten ÖPNVs ist nicht neu – das erste bekannte System startete Ende der 1970er Jahren. Bis heute konnten sich diese Systeme aus wirtschaftlichen Gründen kaum durchsetzen. Der bedarfs- und nutzerorientierte ÖPNV erfordert kleine und wendige Fahrzeuge für enge, zugeparkte Wohngebiete, mit denen relativ wenige Personen gleichzeitig transportiert werden. Hierbei entstehen bei fahrergebundenen Betriebsmodellen hohe Personalkosten.

Innerhalb des komplexen Fahrzeugentwicklungsprozesses wurde auf wesentliche Aspekte wie beispielsweise den barrierefreien Ein- und Ausstieg oder das Interieur-Maßkonzept eingegangen.


Gesamtfahrzeug

Die moderne und nutzerzentrierte Fahrzeugentwicklung basiert auf der systematischen Anforderungsdefinition. Im dargestellten Anwendungsfall wurden die im Folgenden dargestellten, wesentlichen Hauptanforderungen formuliert:

Mindestens 6 Sitzplätze und weitere StehplätzeNiederflurfähigkeit und vollständige BarrierefreiheitAutonomer FahrbetriebVollelektrischer AntriebZweiachsigkeit50 km/h Betriebsgeschwindigkeit, 80 km/h Höchstgeschwindigkeit

Die Innenraumgestaltung und unter anderem daraus resultierend die Fahrzeuglänge, -breite und-höhe wurde zentrifugal und nutzerzentriert entwickelt. Sie basierte auf der physischen Berücksichtigung der Fahrzeugnutzer mit dem digitalen Menschmodell RAMSISTM. Aus Beobachtungen zum heutigen Nutzungsverhalten wurden vier verschiedene Nutzungsszenarien, die sich aus dem Fahrzeugbetrieb zu unterschiedlichen Uhrzeiten ergeben haben, abgeleitet. Verschiedene Nutzertypen beanspruchten hierbei den Fahrzeuginnenraum auf unterschiedliche Weise, woraus folgende vier Nutzungsszenarien für die virtuelle Innenraumauslegung erstellt wurden:

Hauptverkehrszeiten, morgens: Vollbelegung mit zehn Berufspendlern (maximale Auslastung der Sitz- und Stehplätze)

vormittags: ein Elternteil mit Kinderwagen, zwei bewegungseingeschränkte Personen mit Rollatoren und zwei Personen mit Gepäck (maximale Auslastung der Multifunktionsfläche) nachmittags: zwei Personen mit Rollatoren, eine Person mit Rollstuhl, zwei Berufspendler (Auslegung bezüglich Barrierefreiheit) später Abend: drei Personen von/zur Abendveranstaltung, ein Berufspendler (Auslegung bezüglich Raumfunktionalität und Raumgefühl).

Die Nutzungsszenarien wurden durch Fahrgast- und Gepäckzählungen im realen Betrieb des bedarfsorientierten Bussystems überprüft (Abbildung 2).

 

Für das Fahrzeugkonzept wurden verschiedene Design-Varianten auf den Bauraumvorgaben des Maßkonzeptes erstellt (Abbildung 3).

 


Karosserie

Die Karosserieentwicklung basierte auf den Ergebnissen der Ergonomiestudien mit Schwerpunkt auf der Barrierefreiheit sowie den Anforderungen des Packagings, die sich auch aus den wesentlichen technischen Komponenten wie Antrieb und Fahrwerk ergeben haben. Sie musste aber auch die Designvorgaben integrieren. Hieraus wurden an der Fakultät Fahrzeugtechnik erste Grobkonzepte erstellt. Für eine belastungsgerechte Karosserieauslegung wurden Karosseriekonzepte mittels einer Topologieoptimierung durch das Institut für Fahrzeugkonzepte des Projektpartners DLR berechnet und FEM-Simulationen durchgeführt (Abbildung 4).

Für die Konzeption des Ein- bzw. Ausstiegs wurden sowohl Analysen vor Ort bezüglich der Infrastrukturgegebenheiten, als auch Laboranalysen insbesondere im Hinblick auf die Barrierefreiheit der Fahrzeugkonzeption durchgeführt. Die Barrierefreiheit wurde über ein absenkbares Fahrwerk und eine ausfahrbare Rampe realisiert, die sich bei der Überwindung von großen Höhenunterschieden, wie beim Ausstieg auf das Straßenniveau, einen Teil des Innenraumbodens mit absenkt (Abbildung 5).

 


 

Antrieb/Fahrwerk

Durch einen rein elektrischen Antrieb sollten die Lärmemission stark reduziert und die Luftverschmutzung im innerstädtischen Bereich vermieden werden. Die Grobauslegung des Antriebs erfolgte auf Grundlage der aufgezeichneten Fahrstrecken der innerstädtischen Buslinien. Auf Basis der erfassten Streckenparameter wurde eine analytische Verbrauchsabschätzung mit Matlab durchgeführt. Aus den Ergebnissen konnten über den Energiebedarf, der zum Einen zur Fahrt der Höchstgeschwindigkeit in der Ebene und zum Anderen zum Anfahren am Hang bei der größten angenommenen Steigung bei voller Nutzlast notwendig war, passende Radnabenelektromotoren ausgewählt werden. Berücksichtigte man zusätzlich noch die Fahrtdauer von mindestens drei Stunden, die mit einer Batterieladung durchgeführt werden sollte, so erhielt man Anzahl, Größe und Gewicht der für den Antrieb notwendigen Batteriemodule. Zusätzliche Energiespeicherkapazität wurde für die Klimatisierung des Fahrgastraumes vorgesehen. Aus bauraumtechnischen Gründen wurden für das Fahrwerk Längslenker gewählt und für den Fahrkomfort mit aktiven Feder-Dämpfungssystemen ausgestattet. Eine Besonderheit des Fahrzeugs ist die Absenkbarkeit des Fahrwerks in einer sehr großen Spannweite.


Ergebnis

Es wurde systematisch ein Ergebnis abgeleitet, das die beschriebenen Teilkonzepte zu einem ausgewogenen Gesamtkonzept zusammenführt.

Die Ergebnisse der Fahrzeugkonzeption wurden im Rahmen einer Ausstellung im Rathaus Schorndorf zum Projektabschluss präsentiert als ein Feedback an die Bürger, die in der Bürgerbeteiligung an der Fahrzeugkonzeption mitgewirkt haben.

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