Überblick
Agil durch Innovation – Stark durch Qualität – Exzellent durch Synergie
Das Institut für Change Management und Innovation (CMI) führt im Rahmen eines Dissertationsprojektes eine deutschlandweite, branchenübergreifende Forschungsarbeit durch.
Es gibt wohl kein Unternehmen, das nicht auf die beiden Erfolgsfaktoren Innovation und Qualität setzt. Hierbei kommen vielseitige Managementkonzepte zum Einsatz, um diese beiden Erfolgsfaktoren zu stärken und kontinuierlich auszubauen. Ob TQM, ISO-Zertifizierung, Six Sigma, Kaizen, SCRUM, Agile Management oder Design Thinking; die Liste der Methoden, um Unternehmen zur „Business Excellence“ zu führen, ist lang (vgl. Brown und Wyatt, 2010). Im Zusammenwirken der Innovationsfunktion einerseits und der Qualitätsfunktion andererseits entwickelt sich damit ein Spannungsfeld zwischen Ideenreichtum und Perfektion.
Wie also wirken die eingesetzten Methoden und Arbeitsweisen auf den jeweils anderen Funktionsbereich? Hemmen beispielsweise Qualitätsmanagementpraktiken und -methoden die Innovationskraft eines Unternehmens? Verleiten neuartige, agile Managementkonzepte wie SCRUM, TRIZ oder Design Thinking die Produktentwicklung dazu, weniger auf die Qualität der Neuprodukte zu achten? Neben diesen möglicherweise negativen Wirkungsmechanismen soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen Synergieeffekte zwischen den beiden Unternehmensfunktionen entstehen, welche einen wechselseitig positiven Einfluss auf die Innovations- und die Qualitätsperformance haben. In vielen Konzernen werden Synergien nicht genutzt. Der Grund: „Viele Führungskräfte haben ein verengtes Synergieverständnis und verfügen nicht über die notwendigen Kompetenzen“ (Müller-Stewens und Brauer, 2010, S.30).
Das Zusammenspiel der Innovations- und der Qualitätsfunktion ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Leistungsfähigkeit von Neuprodukten.
Robert Cooper und Elko Kleinschmidt stellen fest, dass Unternehmen mit einem „high-quality new product process“ wesentlich erfolgreicher sind als andere und eine wirksame cross-funktionale Kooperation den Entwicklungsprozess positiv unterstützt (vgl. Voss, 1994; Cooper und Kleinschmidt, 2007; Calantone und Di Benedetto, 2012). Die Anforderungen an den Produktentstehungsprozess (PEP) sind dabei klar: Eine schnelle Entwicklung von qualitativ hochwertigen Produkten zu möglichst geringen Kosten (vgl. Cauchick-Miguel, 2007; Wang et al., 2014, 2017; Wu et al.,2017).
Motivation
"Wir sind aktuell eine der stärksten Forschungsnationen der Welt."
Dies sagte Bundesministerin Anja Karliczek (2019) in der Haushaltsdebatte 2020 des Deutschen Bundestages. Und es ist tatsächlich so. Deutsche Unternehmen investieren stark in Forschung und Entwicklung – die Schornsteine der Denkfabriken rauchen auf Hochtouren. Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes belegen, dass Unternehmen nie zuvor mehr Geld für Innovationen ausgegeben haben (Destatis, 2020). Andererseits nehmen Qualitätsprobleme in der deutschen Wirtschaft ebenso rasant zu. Besonders im Automobilsektor kämpfen Unternehmen mit traurigen Rekorden in Sachen Rückrufaktionen (Pankow, 2017). Innovation und Qualität sind jedoch ausschlaggebende Wettbewerbsfaktoren (vgl. Cauchick-Miguel, 2007; Anttila und Jussila, 2018, S.2). Die gleichzeitige Erfüllung beider Anforderungen stellt für Unternehmen offensichtlich eine Herausforderung dar. Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks und der schnell wachsenden Märkte muss der Innovationsprozess immer effizienter werden, um die Markteinführungszeit für neue Produkte und Geschäftsmodelle bei gleichzeitig hoher Leistungsqualität zu verkürzen. Dieses Spannungsfeld rückt verstärkt in den Fokus von Unternehmen (vgl. Morgan et al., 2001, S.89).
Die schnelle Anpassung an Kundenanforderungen und ein erhöhter Wettbewerbsdruck bei einer immer komplexeren und variantenreicheren Produktlandschaft stellt Unternehmen vor große Herausforderungen (vgl. Jochem, 2019, S.1). Die Fähigkeit zur schnellen Anpassung und Veränderung ist für Unternehmen existenzentscheidend (Calantone et al.,2014; Santos-Vijande, et al., 2016). Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist daher die Innovationsperformance deutlich stärker ins Blickfeld der Unternehmen und auch in den Fokus der empirischen Forschung gerückt (vgl. Escrig-Tena et al., 2018; Blank und Naveh, 2017; Bourke und Roper, 2017). Dabei sind innovative Produkte allein kein Garant für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Denn die Erfüllung von Qualitätsmerkmalen hat sich zu einem Hygienefaktor entwickelt, der nicht außer Acht gelassen werden darf (vgl. Vahs et al., 2019, S.12).
Unternehmen stehen somit immer öfter vor einem Balanceakt zwischen Kreativität, Geschwindigkeit und Perfektion.